HUMOR MAGAZIN

Februar 2024

Interview mit Inge Grein-Feil
Vorsitzende der Aktion „Freunde schaffen Freude e.V.“
ClownDoc & Theaterpädagogin

Inge, wie geht es Dir heute?

Wenn ich morgens mit MS-Schmerzen aufstehe, geht‘s mir natürlich nicht automatisch gut. Doch Siggi und ich können in fast jeder Lage Späße − vor allem über uns selber − machen, damit geht‘s einem gleich viel besser. So sagte er neulich, er hätte keine Seniorin als Ehefrau, sondern eine Signora.

Was bedeutet Humor für Dich persönlich?

Humor bedeutet für mich Lebenselixier und Überlebenschance. Bereits ab der ersten Klasse bin ich in meinem sehr strengen Elternhaus darauf gekommen. Zuhause gab es wenig bis nichts zu lachen. Also passte ich mich mimisch den häuslichen Strukturen an. Wenn ich auf dem Schulweg von zuhause weg um die erste Kurve gekommen war, entpuppte sich mein wahres Ich. Meine Freundin und ich kicherten die ganze Strecke, weil uns zu so vielen Begegnungen und Begebenheiten irgendwas Passendes und Lustiges einfiel.
Und jetzt im Alter sowieso − noch immer mit der gleichen Freundin und demselben Lachen.

Wie würdest Du den Einfluss von Humor auf das Wohlbefinden beschreiben?

Als ich 1982 knallhart, mitten aus einem kreativen, fröhlichen, selbständigen, erfüllten Leben, mit der Diagnose Multiple Sklerose konfrontiert wurde, fiel ich zuerst in ein tiefschwarzes Loch. Doch bald schon, nach zwei Jahren, entschieden Siggi und ich, dass fortan meine Krankheit nicht unser ganzes Leben bestimmen wird. Im Gegenteil! So gründeten wir 1984 die Aktion „Freunde schaffen Freude e.V.“, bei der es in erster Linie um Gemeinschaft und um „Graue Alltags-Vertreiber-Programme“ geht.
Eine weitere Initiative bei meiner ersten Reha 1982 war „Kein Stress! Das ist fatal gefährlich.“ Daraus folgte die Erkenntnis: Ich habe vor 40 Jahren einen Anstoß mit wahrlich viel Stressfaktoren zu Wege gebracht und ich mache dies noch immer. Und das zusammen mit vielen schwierigen Stress Verursachern, äh der entsprechenden Klientel, rund um die Uhr. Das ging nur, weil bei uns der Humor die Ernsthaftigkeit stets in die Schranken wies.
Viel gefährlicher empfinde ich es allerdings, wenn ich kräftemäßig über meine Grenzen gehe.

Glaubst Du, dass Humor universell ist oder kulturelle Unterschiede beeinflusst?

Humor hat sicher kulturelle Unterschiede. Auch lacht man in anderen Kulturen oft über anderes. Doch gibt es auch gleiche Wellenlängen. Ich liebe z.B. den englischen Humor von Monty Python, den französischen von Luis de Funés,. den italienischen von Adriano Celentano und den österreichischen, schwarzen Humor z.B. von Josef Hader.

Aber grundsätzlich hängt Humor auch vom Zeitgeist ab. So waren im Naziregime viele Witze nur unter vorgehaltener Hand zu erzählen, z.B. der:
Warum war es für Herrn Hitler besser, dass er diesen Namen hatte und nicht „Kräuter“ hieß. Dann hätten die Leute beim Gruß „Heil Kräuter“ rufen müssen.

Hast Du Beispiele dafür, wie Humor in Deiner Arbeit positive Veränderungen bewirkt hat?

Wenn wir uns bei einer anstrengenden Sitzung verkopft haben, stand ich einfach auf und schüttelte allen anerkennend die Hand. Die anderen machten das nach und es entstand ein heilloses Gelächter und Durcheinander.

Hernach ging es viel gelöster weiter. Siggi und ich sind ja auch Clowns, und dieser Humor nahm dem Leid und der Krankheit bis zur Sterbephase meistens den Schrecken. So feierten wir den Abschied einer verstorbenen Lieblingskollegin (ebenfalls clownesk im Einsatz) fröhlich mit dem Erinnern an besondere Ereignisse.

Wie kam es zur Gründung des Projekts „Freunde schaffen Freude“?

Bei Aufenthalten bei Verwandten in Brasilien lernten wir einen gelösten, fröhlichen Umgang mit Menschen jeglicher Couleur und Lebenseinstellung. Dazu gehörten auch herzliche Umarmungen und die Erkenntnis, dass ein Leben mit Lachen, Tanzen und Singen viel schöner ist und Spaß macht.

Nach der Diagnose MS mussten wir unser Kunstgewerbegeschäft aufgeben, doch dann machten wir uns daran, einen langgehegten Wunsch − ein menschenwürdiges Miteinander − in vielen Projekten umzusetzen. (Heute heißt das ja Inklusion!)

Welche Rolle spielt Humor Deiner Meinung nach in der Gesellschaft, und warum hast Du Dich entschieden, mit Humor zu arbeiten?

Ich denke, dass unsere deutsche Grundmentalität überwiegend eher sorgenvoll, dramatisch, schwermütig ist. Ausnahmen sind natürlich die Rheinländer, deshalb liebe ich auch die Kölner Einstellung „Hauptsach is, das Hätz is jut!“ sehr.
Ich brauche keinen Alkohol zum Fröhlichsein, doch brauche ich immer eine bestimmte Dosis Humor – Es ist mein Naturell.

Wie genau unterstützt Dein Projekt die Clownsarbeit? Kannst Du einige konkrete Beispiele teilen?

Längere Zeit waren wir als ClownDocs in der Kinderonkologie und in Alten- und Pflegeeinrichtungen aktiv − Siggi und ich als Duo, dann mit unserer Clownsgruppe. Wir hatten bis vor Corona eine inklusive Szenen-AG, die bei jedem der Mitwirkenden den Clown zum Leben erweckte. Da haben wir in vielen Einzel- und Gruppenbesuchen vielen Menschen eine kurze entspannte Situation vermittelt und diese auch zum Lachen gebracht.
Aufgrund meiner MS mussten wir nach und nach ziemlich reduzieren. Doch gibt „Frau Dr. Putz“ bei ihren Vorträgen interessierten Gruppen Einblick in die ernste Welt des lustigen Clowns. Sie macht auch Krankenbesuche.

Was motiviert Dich persönlich, Dich für die Vermittlung von Humor einzusetzen? Gibt es eine persönliche Erfahrung, die Dich dazu inspiriert hat?

Wie schon angemerkt, gehört das zu meiner angeborenen Eigenschaft. Trotzdem hat ein Seminar mit Patch Adams in Bad Herrenalb vor vielen Jahren mir nochmals einen Schwung an mutiger Leichtigkeit geschenkt. Mit einer als Kopfschmuck getragenen Unterhose der Spielpartner*in war ich dabei in der evangelischen Akademie unterwegs sowie beim Speisen im Kurhaus usw.

Welche Herausforderungen siehst Du bei der Vermittlung von Humor in der Gesellschaft und wie gehst Du damit um?

Diese Frage in diesen Zeiten! Humor kann man nicht erzwingen. Doch gelingt es mir besser, wenn ich immer Menschen rücksichtsvoll dort abhole, wo sie gerade stehen.
Eines ist allerdings nicht zu ändern: Dass Leuten im edlen Zwirn eher vertraut und geglaubt wird als solchen mit einer Clowns-Nase.

Inwiefern siehst Du den Einfluss von Humor auf das Wohlbefinden von Menschen, insbesondere in schwierigen Situationen?

Wenn es mit Humor gelingt, inneren Abstand vom Problem zu gewinnen, kann man auch leichter Lösungen entdecken. Und wenn’s ernst wird, über sich selber zu lachen.
Ich bin selber ein gläubiger Mensch, ja sogar praktizierende Katholikin. Da nehme ich die Aussage „Frohe Botschaft!“ wörtlich und erlaube mir fröhlich zu sein.
In vielen psychosomatischen Kliniken nimmt man Kontakt mit dem inneren Kind auf. Der Clown ist doch auch ein Kind in uns, das neugierig und verspielt ist.

Wie wählt ihr die Projekte oder Initiativen aus, die von „Freunde schaffen Freude“ unterstützt werden? Gibt es bestimmte Kriterien?

Bei soziokulturellen Begegnungen ist jede(r) herzlich willkommen, wenn unser Anliegen nach einem guten Miteinander akzeptiert wird. Außerdem wollen wir lt. Leitdanken nichts andres als gute Ergänzung zu Bestehendem sein.

Am liebsten handeln wir überzeugt „für“, anstatt als „gegen“ etwas.

Welche langfristigen Ziele verfolgt dein Projekt, insbesondere im Hinblick auf die Förderung von Humor in der Gesellschaft?

Unser Weg in die Zukunft hat mit einer Personalerweiterung gerade begonnen, weil Siggi und ich nach und nach weniger machen wollen. Trotzdem machen die „Freunde“ einfach weiter und weiter − und das eben mit Humor und Angeboten für die Leichtigkeit des Seins. Vorleben ist die beste Möglichkeit.

Kannst Du uns von einem besonders berührenden Moment oder einer Erfahrung währende Deiner Arbeit erzählen, die zeigt, welchen positiven Einfluss Humor haben kann?

Siggi und ich besuchten ein Pflegeheim und die Sozialbetreuerin riet uns ab, ein bestimmtes Zimmer zu betreten. Da würde eine Frau im Sterben liegen. Doch genau da wollten wir dann rein. Diese Frau war wirklich schon weit weg auf ihrem Weg in die Himmlische Heimat. Dann hielt ich ihre Hand und wir sangen bewusst falsch „Sah ein Knab ein Röslein stehn …“ Plötzlich regte sich der Körper der Frau irgendwie verärgert. Das war der Moment, in dem wir richtig und harmonisch zu singen begannen. Die Frau wurde sofort ganz ruhig, bewegte die Lippen zu einem letzten, stummen Lied und schlief wenige Zeit später friedlich ein.
Wir zogen daraus den Beweis, dass Humor bis zum Lebensende da ist. Wir durften das immer wieder erleben. Und mir kommen jedes Mal dankbar die Tränen, wenn ich daran denke.

Inge, wie können Menschen, die sich für eure Arbeit interessieren, aktiv dazu beitragen oder euch unterstützen?

Das bespricht man am besten miteinander. Es hängt von den Möglichkeiten und der Nähe zur soziokulturellen Begegnungsstätte ARCHE in Dischingen ab. Da wir keine öffentliche Förderung bekommen, sind wir beständig auch auf Spenden angewiesen.

info@fsf-ev.de
www.fsf-ev.de

Vielen Dank für die Bereitschaft dieses Interview zu geben und unser Humor Magazin zu unterstützen. Alles Gute für Dich weiterhin!

Inge Grein-Feil mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmaier
Inge Grein-Feil mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmaier