Und so fand Dieter Dischingen

Dieter Hildebrandt

„Ausgebucht“ aufgeschlagen: Dischinger ARCHE & Dieter Hildebrandt bilden ein Kapitel für sich

Schlägt man Dieter Hildebrandts neues Buch „Ausgebucht“ auf, beschlägt dem Lokal-Patrioten, bewegt von bebender Glückseligkeit, schnell die Lesebrille – so dass nur noch der sagenumwobene Scheibenwischer ein Fortsetzen der Lektüre erlaubt. Widmet doch tatsächlich der ausgezeichnete (Grimme-Preis), von vielen Jahrzehnten TV-Präsenz kaum gezeichnete Altmeister feinsinnigen Kabaretts seinem Auftritt in der Dischinger ARCHE (Februar 2003) ein ganzes Kapitel. Kolossal-kongeniale Kabarett-Klein(?)kunst!

Hildebrandt sei erkennbar gerne in Dischingen gewesen – war nach dessen ARCHE-Auftritt in der HNP zu lesen. Gut beobachtet, denn dass es sich hierbei um keine verwischte Floskel handelte, belegen nun die selbst niedergeschriebenen Erlebnisberichte jenes (Star-)Gastes, der sich in Dischingen mehr als nur wohl gefühlt haben muss.

„Es gibt Auftrittsorte, die in der Nähe von kleinen Städten liegen, von denen man noch nie gehört hat, die man aber auf der Landkarte findet. Ist man aber dort, entdeckt man, dass man noch nicht am Ziel ist, weil der Ort der Vorort von dem Ort ist. Hat man den gefunden, stellt man fest, dass der Ort des Auftritts noch ein paar Kilometer weiter auf dem Land ist.“
Dieser erste Hauch einer betörenden Liebeserklärung an die ländlich-liebenswerte Idylle des herrlichen Härtsfelds ist nur der Beginn einer Liebesgeschichte zwischen „Dieter“ und „Dischingen“ – wie der Kabarettist das 30. Kapitel seiner gedruckten Lesereise-Erfahrungen zugegeben minimalistisch, doch sicherlich nicht weniger verträumt nennt, nein: haucht.
Das Taschentuch gezückt, verschlingen die befeuchteten Augen die folgenden Zeilen. Und sie finden „Fleinheim“ – jawohl, unser „Fleina“! Der Vorort vor dem Ort seines Auftritts. Das Herz macht Luftsprünge, weitet sich, will das ganze Härtsfeld umarmen. Eros spannt seinen Bogen, Hildebrandt füllt ihn mit der liebevollen Bemerkung, dass die Orte rundherum allesamt auf „-ingen“ enden (Nördlingen, Lauingen, Dillingen, Bissingen etc.). Doch die Frau, die sein Kommen ermöglichte, endet nicht, sondern beginnt mit „inge“ – Inge Grein-Feil, die „so fabelhaft den Dischinger Kulturkreis vertritt“. Keine imaginär gekünstelte Poesie, vielmehr ein originalgetreues Zitat – aus der Feder des Meisters.
„Ausgesprochen herzlich“ sei er begrüßt worden (eben ganz wie unter Freunden), „Kostbarkeiten“ habe er in der „160 Menschen“ fassenden ARCHE entdeckt und ein „erstaunliches Jahresprogramm“ ließ ihn „geschätzte Kollegen“ wieder finden. Die Sinne schwinden, sie taumeln vor euphorischem Entzücken, ein Endlosstrom von Endorphinen sorgt nicht nur bei „Hilde“ für einen wohligen „Brand(t)“ im Innersten. Dessen Flamme züngelt ebenso ungestüm wie Hildebrandts Schmeicheleien und Streicheleinheiten, mit denen er das Dischinger Publikum liebkost. „Lebhaft, aufmerksam und informiert“ sei es gewesen, doch für den 77-Jährigen nicht weiter wunderlich, schließlich handle es sich um Kulturarbeit „mit Niveau“. Und Hildebrandt muss es wissen, wurde er doch nicht erst gestern als „Best Comedian“ bei irgendeiner Sternen-Suche entdeckt, sondern bildete mit seiner „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ das Ausbildungslager für deutsches Kabarett.
Überzeugend und authentisch wie Hildebrandt selbst wirken seine Zeilen. Und man muss ihm beipflichten, fraglos, auch wenn dem Zuckerbrot, das gierig verschlungen wurde und nach dem man sich jetzt noch die Finger schleckt, des Kabarettisten liebstes Arbeitsutensil, die Peitsche, ausgepackt wird. Doch nein, er lässt sie nicht auf dem Rücken seiner Härtsfelder knallen – vielmehr auf dem der Erziehungsministerin, deren „volltönende Worte“ für das Bildungsprogramm, pardon „Education-Cluster“, von ihr selbst mit dem Schlagwort „Brain up“ umrissen werden. Da bleibt dem verschmitzt lächelnden Scheibenwischer nur noch ein leises „Hut ab“ – vor Dischingen, den Härtsfeldern, der ARCHE und natürlich dem Verein »Freunde schaffen Freude«, dessen Name für Dieter Hildebrandt zum Programm geworden ist. Zumindest in „Ausgebucht“ – wie auch beim angekündigten „Wiedersehen im Dischinger Kleinkunst-Cluster“.

Karsten Kinzler, Heidenheimer Neue Presse

Ausgebucht
Mit dem Bühnenbild im Koffer
von Dieter Hildebrandt
mit Zeichnungen von Dieter Hanitzsch
ist erschienen bei Blessing ISBN 3-89667-267-3